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Digitaler Minimalismus: “Unglaublich wie das Thema die Leute fasziniert”

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Das Interesse am Konzept des digitalen Minimalismus ist riesig, wie die Reaktionen auf einen Beitrag zeigen.

MinimalismusAuch nach Jahren des Publizierens im Netz kommt es immer wieder vor, dass mich die Resonanz auf Artikel überrascht. In negative sowie positive Richtung. Letzteres war der Fall bei meinem Beitrag über den deutschen Gründer und Berater Sebastian Küpers und den von ihm praktizierten Lebensstil des (digitalen) Minimalismus. Mit 570 Likes bei Facebook gehört der Text zu den am meisten im Social Web empfohlenen Beiträgen bei netzwertig.com überhaupt. 7.000 Mal wurde er bei uns aufgerufen. Auch elf Pingbacks von anderen Blogs sind im Jahr 2013 eine Rarität. Eine aus 54 Kommentaren bestehende Debatte mit Lesern signalisiert ebenfalls: Der Gedanke, mit weniger Besitz auszukommen, fasziniert und beschäftigt viele Menschen. Dabei hat das Prinzip nicht nur Anhänger. Mancher Diskussionsbeitrag stellte in Frage, inwieweit das Leben als Minimalist oder digitaler Nomade über eine kleine Zahl von besonders flexiblen jungen Singles hinaus tatsächlich praxistauglich sei. Ein berechtigter Einwand: Spätestens wenn Kinder ins Spiel kommen, wird ein Auskommen mit einem auf ein Mindestmaß reduzierten Besitz ein deutlich schwierigeres Unterfangen. Jedoch nicht unmöglich – siehe unten.

Nicht nur ich war von dem derartig großen Interesse am Minimalismus überrascht. Auch Sebastian Küpers, der in seinem Blog über die Reduzierung seines Eigentums auf 100 Dinge berichtet, hatte nicht mit einer solchen Aufmerksamkeit gerechnet. Durch unseren Artikel seien Zeitungen und Radiosender auf sein Unterfangen aufmerksam geworden. Seitdem erhalte er jede Woche mehrere Interviewanfragen. “Unglaublich wie die Leute darauf anspringen und fasziniert sind von dem Thema”, so Küpers’ Feststellung. Während er seinen Erfahrungsbericht schrieb, sei ihm dies gar nicht so klar gewesen.

Unterdessen wächst die Zahl derjenigen, die öffentlich mit dem Konzept eines verringerten Besitzstandes liebäugeln. Der Netzaktivist Felix Neumann schildert sein “wachsendes Unbehagen an den Dingen”, der österreichische Gründer Thomas Schranz benötigt für das Verstauen seiner 35 Habseligkeiten lediglich einen Rucksack, und der Blogger Julian Hein hat sich zum Ziel gesetzt, innerhalb von 30 Tagen mindestens 1.000 Gegenstände loszuwerden. Andere, wie der “Technomad” Benny Lewis, pflegen schon seit Jahren einen Lebensstil, bei dem sie der konsequente Fokus auf einige wenige Dinge in höchstem Maße ortsunabhängig macht – was freilich auch Schattenseiten hat.

Dass ein minimalistischer Lebensstil selbst mit einer Familie möglich ist, beweist die 39-jährige Künstlerin und Autorin Bea Johnson. Zusammen mit ihrem Mann Scott und den Söhnen Max und Leo lebt sie nach den fünf Prinzipien Refuse (verweigern), Reduce (reduzieren), Reuse (wiederverwenden), Recycle (wiederververwerten) und Rot (kompostieren). Während viele der jüngeren Minimalisten in erster Linie von pragmatischen Motiven wie Kostenreduktion und Mobilität getrieben werden, steht bei Johnson ein ideologischer Gedanke im Vordergrund. Ihr gehe es um Nachhaltigkeit und Umweltschutz, ihren Kindern und nachfolgenden Generationen zu Liebe. In einem aktuellen Buch (Affiliate-Link) beschreibt Johnson ihre Erfahrungen (“Zero Waste Home: The Ultimate Guide to Simplifying Your Life by Reducing Your Waste”).

Anders als die traditionelle Konsumkritik hat der durch die Möglichkeiten des Internets entstandene Minimalismus aber grundsätzlich keine politische oder ideologische Einfärbung. Die ein oder andere Anschaffung genauer zu hinterfragen oder sich Gedanken darüber zu machen, warum man seit 15 Jahren bestimmte Staubfänger von Wohnung zu Wohnung mitschleppt, ohne sie auch nur einmal wirklich benötigt zu haben, ist ein Verhalten, das jedem theoretisch Genugtuung vermitteln und Flexibilität schaffen kann. Dass man dadurch mitunter auch einen Beitrag zu einem nachhaltigeren, umweltschonenderen Wirtschaften leistet, ist ein netter Nebeneffekt.

Inwieweit der Verzicht auf als überflüssig wahrgenommene Dinge eine dauerhafte Entwicklung darstellt, der sich – in unterschiedlichem Ausmaß, bewusst oder unbewusst – ein signifikanter Teil der Bevölkerung anschließt, wird die Zeit zeigen. Die Neugier ist zumindest groß. Persönlich werte ich dies als Zeichen einer latenten Unzufriedenheit über das bisher verbreitete Ideal der permanenten, selbstverständlich erscheinenden Anschaffung von Dingen. /mw

(Foto: Moving boxes in empty room, Shutterstock)


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